Wozu überhaupt Pferdezahnpflege?
In freier Natur verbringen wildlebende Pferde 16-18 Stunden pro Tag mit Fressen, größtenteils Gras vom Boden. In dieser Kopfhaltung passen die Kauleisten von Ober- und Unterkiefer (von der Seite gesehen) genau aufeinander .
Sie knabbern oft an Holz oder kratzen Mineralien aus dem Boden, beißen silikatreiche Gräser ab und nutzen so die Schneidezähne ab. Die Backenzähne werden beim Mahlen von Raufutter durch einen starken seitlichen Kauausschlag gleichmäßig abgerieben.
Heute werden unsere Pferde mit weicherem Gras (Grassorten für Rinder), Kraftfutter und teilweise in unnatürlicher Körperhaltung (Krippen auf Tischhöhe) gefüttert.
Dazu kommt, dass wir reiterlich bestimmte Ansprüche an unsere Pferde stellen (erwünschte Kopf- und Körperhaltung des Pferdes, seitliches Biegen etc.), und Hilfsmittel benutzen, bei denen bestimmte Zahnprobleme sich als störend erweisen, die beim frei lebenden Pferd nicht so ins Gewicht fallen würden. So wird beispielsweise beim Reiten mit Gebiss die Zunge im Maul etwas nach hinten verdrängt und berührt jetzt evtl. scharfe Kanten an den Innenseiten der Unterkieferbackenzähne. Auch wird die Backenschleimhaut durch Reithalfter oder Nasenriemen gegen scharfe Kanten der Oberkieferaußenseiten gedrückt. Grade junge Pferde, deren Zähne sehr schnell sehr scharf werden, leiden hierunter, was allerdings oft als einfache Widersetzlichkeit fehlinterpretiert wird! So wird oft einem jungen Pferd das Reiten von Anfang an mehr oder weniger verleidet!
Für eine versammelte Haltung und durchs-Genick-Gehen muss sich der Unterkiefer frei vor- und zurückbewegen können. Dies ist aber mechanisch gar nicht richtig möglich bei Stufen, Wellen, einzelnen hohen Zähnen und den häufig vorkommenden Haken oder Rampen am ersten und letzten Backenzahn (näheres s. dort).
Letztendlich spielt auch die Zucht eine Rolle, wurden doch die wenigsten Pferde auf gute Zahngesundheit und gute Proportionen von Zähnen und Schädelform und –größe ausgewählt.
Sehr zierliche Köpfe haben oft zu große Zähne (extrem bei amerikanischen Minishettys zu beobachten).
Die ungleichmäßige oder nicht ausreichende Abnutzung sollte regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls ausgeglichen werden, bei erwachsenen Pferden meist einmal jährlich, bei Jungpferden (bis 5 Jahre) aufgrund des Zahnwechsels zweimal jährlich. Bei besonders problematischen Zahnsituationen kann im Einzelfall durchaus eine häufigere Behandlung notwendig sein!
Bezeichnungen am Pferdeschädel
Was kann ich als Pferdebesitzer selber sehen?
Schneidezähne
Die Schneidezähne kann man gut von vorne und der Seite betrachten, indem man die Lippen nach oben und unten „aufklappt“. So kann man sehen, ob alle Zähne da sind (6 oben, 6 unten), es Lücken gibt, die Okklusionslinie waagerecht und grade ist („Smile“, Diagonale etc, deuten auf zu lange Schneidezähne und/oder ungleiche Abnutzung im Backenzahnbereich hin), sowie auffällig starke Zahnsteinbildung, Zahnfleischentzündung oder Futterreste zwischen den Zähnen vorhanden sind (kann auf zu lange Schneidezähne hindeuten).
Aussenkante der Oberkieferbackenzähne tasten (Empfindlichkeiten)
Da der Oberkiefer breiter ist als der Unterkiefer, lassen sich die Aussenkanten der Oberkieferbackenzähne durch die Backenschleimhaut tasten. Wenn das Pferd jetzt schon empfindlich reagiert, sollte man einen Fachmann zu Rate ziehen: vermutlich ruft der Druck beim Tasten schon Schmerz hervor, wenn die Backenschleimhaut an die scharfen Kanten und Zahnspitzen gedrückt wird. Mit etwas Übung kann man so sogar ertasten, ob die Zähne der Kauleiste auf einer Höhe oder stufig sind oder ob sogar ein Zahn fehlt.
Kiefergelenk drücken
Wenn man auf das auf Höhe des Auges unter dem Ohr liegende Kiefergelenk drückt und das Pferd eine (wiederholbare) Schmerzreaktion zeigt, kann dies auf eine Überlastung des Kiefergelenkes, z.B. durch zu lange Schneidezähne hindeuten. Das Kiefergelenk wird unphysiologisch belastet (überlastet), weil das Pferd verstärkt zubeißen muss, um die Backenzähne trotz zu langer Schneidezähne noch in Kontakt zu bringen. Auch Kopfscheu, Empfindlichkeit um die Ohren oder beim Auftrensen können hiermit zusammen hängen.
Jedoch ersetzt alles dies nicht die Beurteilung durch den Fachmann! Nicht jedes Pferd reagiert gleich empfindlich, nur weil ein Pferd noch keine eindeutige Schmerzreaktion zeigt, heißt das nicht, dass keine Zahnkontrolle/-bearbeitung nötig ist.
Weitere Symptome für Zahnprobleme können sein:
Veränderungen in der Rittigkeit:
- Maul Aufsperren
- das Pferd geht auf einer Hand massiv schlechter
- plötzliches Zusammenzucken oder andere heftige Reaktionen beim Aufnehmen der Zügel
- Nase auf die Brust nehmen
- Gebiss nicht annehmen, Mauligkeit
- Verwerfen im Genick
- Kopfschlagen, sich gegen das Gebiß wehren
- Steigen, Durchgehen
- Stellungsprobleme
- Schwierigkeiten beim Auftrensen
- nicht durchs Genick gehen
- plötzliche Änderungen in der Rittigkeit
Fressverhalten, Allgemeinzustand
- verzögerter Fellwechsel
- große Mengen herausfallendes Futter
- viel Futter ins Maul nehmen, sehr hastiges Fressen
- Futter in Backen packen, Wickel kauen
- Verändertes Saufverhalten
- unregelmäßige / anormale Kaubewegung
- langsames, schlechtes Fressen
- Kopfscheue / Berührungsempfindlichkeit
- Asymmetrie des Gesichts
- Beulen an Nase oder Kiefer
- Schwellungen in der Kehlkopfgegend
- Gewichtsverlust / stumpfes Fell
- Ausfluss aus Nase, Augen oder Ohren
- Blutung aus dem Maul
- Verletzungen an der Zunge oder Backenschleimhaut
- Kolik, Schlundverstopfung, Durchfall
- lange Stroh- und Heufasern im Kot
- Schlechter Allgemeinzustand, Gewichtsverlust trotz ausreichendem Futterangebot
- übermässiges Speicheln, Schmatzen
- Lustlosigkeit, Widersetzlichkeiten, schlechte Laune
- hoher Anteil unverdauter, ganzer Körner im Kot
- fauliger Geruch aus Maul und Nüstern
- frustriertes Kopfschlagen beim Fressen
Mögliche Zahnprobleme in Stichworten
- Rampen, Haken (am ersten und letzten Backenzahn einer Kauleiste)
- zu lange, ungleich abgenutzte Schneidezähne
- Überbiss / Unterbiss
- Wolfszähne / blinde Wolfszähne
- scharfe Kanten (Zahnspitzen) an den Backenzähnen (vorwiegend unten innen und oben außen)
- Zahnfleischentzündung
- Zahnstein (oft an Hengstzähnen und Schneidezähnen)
- Verletzungen von Backenschleimhaut und Zunge
- lose Zähne, verlorene Zähne
- frakturierte Zähne, faule Zähne
- durchbrechende oder blinde Hengstzähne ( auch bei Stuten )
- zu lange, scharfe oder abgebrochene Hengstzähne
- überzählige Zähne
- einzelne hohe Zähne, Wellen, Stufen in der Kauebene
- überfällige Milchzahnkappen / - splitter oder - reste
- Dornen, Holzsplitter o. ä.
Vorsorge - Was kann der Pferdebesitzer tun, um Zahnprobleme zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten?
Grundsätzlich gesagt: je naturnaher die Haltung des Pferdes und die Fütterung ist, desto weniger gravierende Zahnprobleme sind zu erwarten. Selbstverständlich gibt es individuelle Unterschiede und Ausnahmen.
Für einen möglichst weiten Kauausschlag sollte viel Raufutter (Heu) gefüttert werden. Die Fresshaltung sollte physiologisch sein (Kopf am Boden wie beim Grasen). Nach Möglichkeit sollte das Pferd viel Weidegang haben. Zur Schneidezahnabnutzung kann man Holzblöcke zum Knabbern anbieten. Hafer, das für Pferde am besten verdauliche Kraftfutter, sollte möglichst frisch gequetscht verfüttert werden. Gerste und Mais als ganzes Korn sind gänzlich ungeeignet als Pferdefutter, da sie viel zu hart sind und daher die Backenzähne durch den viel zu kurzen Kauauschlag stärker abgerieben werden und die Kantenbildung gefördert wird. Die in diesen Getreiden enthaltene Stärke ist sehr schwer verdaulich und so ist die Gefahr von Fehlgärungen, Koliken etc. wesentlich größer als z.B. bei Hafer.
Aber auch bei der in Europa bestmöglichen Haltung wird man nicht um die regelmäßige Zahnkontrolle und meistens auch –bearbeitung herumkommen, da unsere Möglichkeiten aufgrund des Platzmangels einfach begrenzt sind. Solange wir unseren Pferden keine mehrere Hektar großen Flächen mit kargen Steppengräsern anbieten können, müssen wir unserer Sorgfaltspflicht dem von uns abhängigen Tier gegenüber nachkommen und – ebenso wie eine regelmäßige Hufbearbeitung selbstverständlich ist – die Zahnpflege gewährleisten.
Aufbau und Funktion
Zahnaufbau
Der Mensch oder auch Fleischfresser wie Hund und Katze haben brachyodonte Zähne. D.h. der Zahn ist kurzkronig (keine Reservekrone) und wird nach dem vollständigen Durchbruch bzw. Zahnwechsel nicht weiter nachgeschoben und wächst auch nicht weiter.
Kaninchen als Nager haben elodonte Zähne, d.h. sie wachsen ein Leben lang nach und bereiten bei unzureichender Abnutzung und fehlender Kürzung große Probleme!
Pferde haben hypsodonte Zähne, die einige Jahre wachsen und dann nur noch nachschieben und abgenutzt werden, bis sie verbraucht sind. Deshalb bestehen ausgewachsene Pferdezähne aus einer relativ kurzen sichtbaren Krone (dem Teil, der aus dem Zahnfleisch ragt) und einer Reservekrone (im Zahnfleisch bzw. Kieferknochen), die bis zu ca. 10 cm lang sein kann und ca. 3mm im Jahr nachgeschoben wird. Die Wurzel ist beim jungen Pferd noch gar nicht ausgebildet, wird dann immer länger, aber im Alter wieder abgebaut, bis der Zahnrest ausfällt.
Präparat mit eröffnetem Kiefer mit Blick auf die Reservekronen und Wurzeln: dieses Pferd war ca. zweieinhalb Jahre alt. Auf den ersten drei Backenzähnen oben befinden sich noch die Milchzahnkappen (im Unterkiefer ist dies schlecht zu sehen). Der letzte Backenzahn ("11er") ist noch nicht durchgebrochen, im Unterkiefer ist die Zahnanlage gut zu sehen (im Gegensatz zu den anderen noch recht kurz). Im Schädel ist noch gar kein Platz für den letzten Zahn. Die Backenzähne zeigen noch keine Wurzeln (Längenwachstum des eigentlichen Zahnes ist noch nicht abgeschlossen), aber die Reservekronen weisen schon eine beachtliche Länge auf. Der Schädel ist aber noch gar nicht ausgewachsen, das ist erst nach abgeschlossenem Zahnwechsel und Durchbruch der Fall (also etwa mit fünf Jahren). Der zweite Backenzahn im Unterkiefer verursacht einen "Bump" am Unterkieferknochen (der Zahn wächst nach unten gegen den Unterkieferknochen und wölbt diesen sozusagen leicht nach aussen - dies ist am lebenden Pferd von aussen fühlbar). Da die Pulpahöhlen im jungen Zahn noch sehr gross sind, sind diese Zähne nach der Präparation relativ hohl und deshalb etwas lädiert.
Präparat mit eröffnetem Kiefer mit Blick auf die Reservekronen und Wurzeln: dieses Pferd war mittleren Alters (vermutlich zwischen 10 und 15 Jahre alt), die Reservekronen sind im Verhältnis zur Schädelgrösse schon deutlich kürzer. Die Ausbildung der Zahnwurzeln ist gut zu erkennen.
Präparat mit eröffnetem Kiefer mit Blick auf die Reservekronen und Wurzeln: bei diesem älteres Pferd (über 15) sind die Wurzeln deutlich länger und die Reservekronen bereits kürzer. In diesem Präparat wurden die Hauptblutgefässe, die die Unterkieferzähne versorgen, farbig dargestellt.
Menschenzähne sind schmelzhöckerig, d.h. die Kaufläche ist höckerig geformt und der gesamte Zahn ist mit Schmelz überzogen. Nur unsere Zahnwurzeln sind mit Zement bedeckt.
Pferdezähne sind schmelzfaltig, sie haben Schmelzeinstülpungen oder Schmelzfalten, so dass die Kauflächenoberfläche aus unterschiedlich harten Materialien besteht. Der gesamte Zahn ist mit Zement überzogen (wird aber auch an den Zahnseitenflächen oft beim normalen Kauen abgenutzt) und auch Dentin befindet sich auf der Kaufläche. So wird die Kaufläche unterschiedlich abgenutzt (Schmelzgrate bleiben etwas erhöht stehen) und der Kauvorgang ist effektiver.
Präparat der Oberkieferbackenzähne eines Jungpferdes, zweieinhalb Jahre alt: die Mühlstein-artige Kauoberfläche der Backenzähne ist gut zu erkennen. Der letzte Zahn (ganz rechts im Bild) hat noch keinen Kontakt zu seinem Gegenzahn, daher ist seine Oberfläche noch komplett mit Schmelz ("höckerig") geschlossen.
Schneidezähne haben eine Schmelzeinstülpung (Kunde, Infundibulum), die Backenzähne im Unterkiefer haben gar keine, sondern nur Schmelzfalten, Backenzähne im Oberkiefer haben zwei Einstülpungen.
Hengst- und Wolfszähne haben keine Schmelzeinstülpungen, sondern entsprechen im Aufbau unseren schmelzhöckerigen Zähnen. Sie sind normalerweise auch nicht am Kauvorgang beteiligt, werden also auch nicht abgenutzt und auch nicht nachgeschoben.
Der bleibende Zahn wächst bis zum Pferdealter von ca. 7-11 Jahre und ist dann bis zu 10 cm lang. Ab diesem Zeitpunkt wird er nur noch weiter heraus geschoben.
Die Kaufläche ist (von vorne gesehen) etwa 12-15 Grad nach außen geneigt und leicht uneben, da die Zahnkaufläche aus unterschiedlich harten Materialien besteht, die sich unterschiedlich leicht abnutzen. So ist ein effektives Mahlen gewährleistet. Jedoch können hieraus bei ungleichmäßiger Abnutzung auch Probleme entstehen.
Zahnarten und Anzahl
Schneidezähne: Das Pferd hat oben sechs und unten sechs Schneidezähne, die beim Fohlen als Milchzähne angelegt werden (bis zum Alter von 8 Monaten sollten alle vorhanden sein, s. auch Zahnwechsel).
Backenzähne: Das Fohlen wird mit bereits drei Milchbackenzähnen pro Quadranten geboren, das erwachsene Pferd hat sechs Backenzähne pro Quadrant.
Laden: Zwischen den Schneidezähnen und den Backenzähnen liegt ein zahnfreier Raum, die so genannten Laden (hier liegt das Gebissstück des Zaumzeugs).
Hengstzähne: In den Laden befinden sich bei männlichen Tieren oben und unten je zwei Hengstzähne (auch Hakenzähne genannt), die beim Fressen keine Funktion haben, sondern als Kampfzähne dien(t)en. Bei Stuten sind diese Zähne deutlich kleiner bzw. fehlen meistens ganz.
Wolfszähne, wenn vorhanden, befinden sich meist direkt vor den ersten Backenzähnen und können einzeln oder paarweise auftreten (unten wesentlich seltener als oben). Sie sind rudimentäre Backenzähne (d.h. ein Vorfahr unseres heutigen Pferdes hatte sieben voll ausgebildete Backenzähne) und haben heute keinerlei Funktion mehr, sondern stören häufig beim Reiten mit Gebiss (s. auch Probleme – Wolfszähne).
Erwachsene Hengste und Wallache haben also 40 Zähne (plus eventuelle Wolfszähne), Stuten 36 (plus eventuelle Hengstzähne und Wolfszähne).
einzelne Zähne zum Grössenvergleich: v.l.n.r. Milchzahnkappe erster Backenzahn oben, Milchzahnkappe zweiter Backenzahn oben, Milchzahnkappe zweiter Backenzahn unten, alter Backenzahn unten (wurde gezogen, weil er locker war), Milchschneidezahn, älterer Schneidezahn (wurde gezogen, weil er locker war), fünf verschiedene Wolfszähne und ganz rechts ein menschlicher Milchbackenzahn
Kaubewegung
In Ruheposition der Kiefer sind die oberen und unteren Backenzähne nicht deckungsgleich, sondern die oberen Kauleisten sind weiter auseinander als die unteren. Die Kauflächen der Backenzähne sind nicht waagerecht, sondern ca. 12-15 Grad nach außen geneigt.
Beim Mahlen werden die Kiefer geöffnet, der Unterkiefer zur Seite genommen, dann wieder geschlossen und mit Druck gegen den Oberkiefer „von außen nach innen“ bewegt. Daher wird konstruktionsbedingt immer nur eine Seite zum Kauen benutzt. Idealerweise wechselt das Pferd regelmäßig die Seite, damit die Zähne gleichmäßig abgenutzt werden (eine asymmetrische Ausprägung der Kaumuskulatur bzw. ungleichmäßige Abnutzung der Kauleisten rechts – links können auf gravierende Probleme hindeuten).
Für eine ungehinderte Kaubewegung, gleichmäßige, natürliche Abnutzung der Zähne und physiologische Belastung des Kiefergelenkes muss sich der Unterkiefer in alle Richtungen frei gegen den Oberkiefer bewegen können. Schon kleine Haken am ersten oder letzten Backenzahn, scharfe Kanten (hoch stehende Zahnspitzen an den Seitenkanten der Kauleisten), Wellen und Höhenunterschiede zum Nachbarzahn und zu lange oder schief abgenutzte Schneidezähen können das Gebiss regelrecht verriegeln.
Zahnwechsel und Durchbruch
Geburt: in jedem der vier Kieferquadranten (rechts oben, links oben, links unten, rechts unten) sind drei Milchvorbackenzähne (Prämolaren) vorhanden oder brechen in den ersten Lebenstagen durch
Die ersten vier Milchschneidezähne (zwei oben, zwei unten in der Mitte, sog. Zangen) brechen mit 6-8 Tagen durch oder sind bei Geburt schon vorhanden.
Fohlen, zwei Tage alt: die Zangen brechen grade durch
dasselbe Fohlen, sieben Tage alt: die Zangen sind durchgebrochen; rechts und links im Unterkiefer deuten sich schon die Mittelzähne an
6-8 Wochen: die nächsten vier Milchschneidezähne (Mittelzähne) brechen durch
dasselbe Fohlen, acht Wochen alt: die Zangen sind grade schon in Okklusion, aber noch nicht abgerieben, die Mittelzähne sind vollständig durchgebrochen
hier sind die Kunden in den Unterkiefermilchschneidezähnen gut zu sehen (werden bis zum Zahnwechsel vollständig abgerieben sein)
6-8 Monate: die äußeren vier Milchschneidezähne (Eckzähne) brechen durch
(leider unscharf) Jungpferd, zehn Monate alt (Spätentwickler): die Eckzähne fangen grade an durchzubrechen
dasselbe Jungpferd, zehn Monate alt: die Zangen und Mittelzähne sind in Okklusion
ca. 1 Jahr: der erste bleibende Backenzahn (Molar) jeweils direkt hinter den Milchbackenzähnen bricht durch, evtl. Wolfszähne sind jetzt oft schon vorhanden
ca. 2 Jahre: der zweite bleibende Backenzahn bricht hinter dem ersten Molar durch
Präparat eines Pferdeoberkiefers, das Tier war ca. zwei bis zweieinhalb Jahre alt: von links nach rechts im Bild sind die ersten drei Backenzähne (Milchzähne) in Okklusion und Abrieb, der erste bleibende Backenzahn (vierter von links, "9er") ist ebenfalls in Okklusion und Abrieb, der fünfte Zahn von links (zweiter bleibender Backenzahn, "10er") ist vollständig durchgebrochen, aber noch nicht in Okklusion mit dem Gegenzahn (die Oberfläche sieht noch schmelzhöckerig aus, die Infundibula sind noch vollständig geschlossen. Duch Abnutzung entsteht in einigen Monaten eine funktionelle Kaufläche wie auf den anderen Zähnen zu sehen) Der letzte bleibende Zahn ("11er") deutet sich bereits an (kleine Öffnung im Kieferknochen hinter dem 10er)
Präparat des dazu gehörenden Pferdeunterkiefers, hier ist die gleiche Situation wie oben zu sehen
Präparat der dazugehörenden Schneidezähne im Oberkiefer: es sind noch alle Milchschneidezähne vorhanden und in Funktion. An der Kante zum Kieferknochen ist der Zahnhals als Verjüngung des Milchzahns zu sehen (bleibende Zähnen haben keinen Zahnhals in dieser Form, da sie nachschieben), d.h. es ist nicht mehr allzuviel Material zum Nachschieben vorhanden (auch nicht notwendig, da die Milchzähne bald ausfallen werden) Im Bildhintergrund ist gut zu sehen, dass die Kauflächen der Backenzähne nach aussen hin abfallen
dasselbe Präparat, Blick auf die Oberkieferkauflächen, die Kunden sind fast vollständig abgerieben
Präparat der dazugehörigen Schneidezähne Unterkiefer. Im Bildhintergrund wiederum die abfallenden Unterkieferkauflächen der Backenzahnreihen zu sehen
dasselbe Präparat, Blick auf die Unterkieferkauflächen
ca. 2,5 Jahre: die mittleren Schneidezähne (Zangen) wechseln (zuerst oben, kurz danach unten), die ersten Milchbackenzähne wechseln (zuerst unten, kurz danach oben)
Präparat eines Pferdeschädels, das Tier war ca. zweieinhalb Jahre alt: die Milchzangen sind grade ausgefallen, die bleibenden Zangen sind gut zu sehen. Mittel- und Eckzähne sind noch als Milchzähne in Funktion. Beim lebenden Tier wären die bleibenden Zangen noch fast vollständig mit Zahnfeisch bedeckt und kaum zu sehen
dasselbe Präparat: links unten am ersten Backenzahn ist der Milchzahn bereits ausgefallen, rechts unten und oben auf beiden Seiten bedeckt die Milckappe noch den nachschiebenden bleibenden Zahn. Jeweils der zweite und dritte Backenzahn sind auch noch vom Milchzahn bedeckt. Beim lebenden Pferd wäre es in solch einer Situation wahrscheinlich angezeigt, die drei überfälligen Kappen der ersten Backenzähne zu entfernen
ca. 3 Jahre: die zweiten Milchbackenzähne wechseln, der letzte bleibende Backenzahn ganz hinten im Maul bricht durch
ca. 3,5 Jahre: die nächsten Schneidezähne (Mittelzähne) wechseln, die dritten Milchbackenzähne wechseln
Jungpferd, ca. drei Jahre und acht Monate alt: die Mittelzähne haben gewechselt und die bleibenden Mittelzähne sind vollständig durchgebrochen, aber grade noch nicht in Okklusion, die Eckzähne sind noch Milchzähne
Blick von vorne
dasselbe Jungpferd zwei Monate später, mit vier Jahren: die Mittelzähne berühren sich jetzt
ca. 4 Jahre: die Hengstzähne beginnen durchzubrechen
ca. 4,5 Jahre: die äußeren Schneidezähne (Eckzähne) wechseln
Der Durchbruch der Hengstzähne und des letzten Backenzahns kann sich durchaus bis zu einem Jahr verzögern.
Altersschätzung anhand der Zähne
Bis zum Alter von fünf Jahren kann man das Alter eines Pferdes aufgrund des Zahnwechsels und –durchbruchs relativ genau schätzen. Aber schon in diesem Alter gibt es rassespezifische und individuelle Unterschiede. Danach wird es immer ungenauer!
Einige gängige Masstäbe zur Altersschätzung:
-Abnutzung der Kunden in den Schneidezähnen
Die Schmelzeinstülpungen an den Kunden sind mit Zement und auch mit Futterresten gefüllt und erscheinen daher dunkel. Ist der Zahn entsprechend weit abgenutzt, verschwinden die Kunden, lt. Fachliteratur in den unteren Zangen mit 6, in den unteren Mittelzähnen mit 7 und in den unteren Eckzähnen mit 8 Jahren. In den oberen dann von innen nach außen ebenso mit 9,10 und 11 Jahren. Hier gibt es aber schon deutliche individuelle Unterschiede, außerdem spielt natürlich die reale Abnutzung der Schneidezähne eine Rolle. Ein zu wenig abgenutzter Zahn erscheint jünger (das Alter kann eigentlich erst nach dem korrekten Kürzen geschätzt werden!), ein zu stark abgenutzter Zahn (z.B. bei Koppern oder Barrenwetzern) lässt kaum eine Schätzung zu.
-Winkelung der Schneidezähne von der Seite aus gesehen
Die Schneidezähne beim Jungpferd stehen nahezu senkrecht aufeinander. Mit zunehmendem Alter werden sie lt. Lehrmeinung immer flacher und spitzwinkeliger. Hierbei ist zu bedenken, dass zu wenig abgenutzte Schneidezähne, was heutzutage aufgrund unserer Fütterungspraxis sehr häufig vorkommt, die Backenzähne auseinander halten. Um dann überhaupt mahlen zu können, presst das Pferd die Kiefer stärker zusammen, wobei nicht nur das Kiefergelenk überlastet wird, sondern auch die Schneidezähne, bzw. deren Zahnfächer dem übermäßigen Druck nachgeben und nach vorne wegkippen. So entsteht mit zunehmendem Alter (weil bei nicht ausreichender Abnutzung und ohne Kürzung zur Korrektur diese Entwicklung natürlich immer weiter geht) tatsächlich ein immer flacheres Schneidezahngebiss. Jedoch ist das keine normale Entwicklung des Alters, auch wenn es sehr verbreitet ist.
-Einbiss an den Eckzähnen
Aufgrund des Wegkippens der Schneidezähne, das nicht oben und unten gleichzeitig stattfindet (zuerst unten, da der Unterkiefer nicht so stabil ist wie der Oberkiefer) passen die Eckzähne oben und unten zeitweise nicht richtig aufeinander. Die hintere Ecke des oberen Eckzahns wird nicht abgenutzt und bleibt eine Zeit lang stehen, es bildet sich der so genannte Einbiss. Die Angaben über das Auftreten des Einbisses in bestimmtem Alter sind nicht einheitlich, die Praxis zeigt auch, dass Einbisse unregelmäßig auftreten. Eine unterschiedliche Ausprägung am rechten und linken Eckzahn eines Pferdes kann aber auf ein ungleichmäßiges Kaumuster deuten. Oft kaut das Pferd dann überwiegend auf einer Seite.
-Galvayne’sche Rinne am Eckzahn
Die Galvayne’sche Rinne ist eine senkrecht auf dem oberen Eckzahn verlaufende Rinne, die mit etwa zehn Jahren am Zahnfleischrand erscheint , mit 15 halb über den Zahn reicht, mit 20 ganz über den Zahn reicht, mit 25 noch in der unteren Zahnhälfte zu sehen ist und mit 30 komplett wieder verschwunden ist. Sie tritt aber bei höchstens der Hälfte der Pferde überhaupt auf und ist nicht immer eindeutig zu identifizieren.
-Formänderung der Schneidezahnkaufläche
Ein Schneidezahn hat nicht auf seiner ganzen Länge die gleiche Form im Querschnitt. Dementsprechend ändert sich mit laufender Abnutzung die Form der Kaufläche von queroval zu rund zu dreieckig zu längsoval. Dies erfolgt jeweils im Jahresabstand zuerst unten von innen nach außen, dann oben von innen nach außen, bis alle Zähne sozusagen die nächste Form erreicht haben.
Häufige Probleme
1. an den Schneidezähnen
1.a. zu lange Schneidezähne
Die Schneidezähne schieben wie die Backenzähne ca. 3 mm im Jahr nach, werden aber heutzutage unter „Zivilisationsbedingungen“ meist nicht ausreichend abgenutzt: das Pferd muss weniger abbeißen (im Winter bei Heufütterung oder in der Box werden die Schneidezähne gar nicht gebraucht), unsere Gräser sind weicher als Steppen- und Präriegräser (da Nutzgrünland für Rinder) und Mineralien werden pulverisiert ins Futter gegeben.
Bei zu langen Schneidezähnen verlieren die Backenzähne, die im Verhältnis stärker abgerieben werden, den Kontakt, so dass das Pferd die Kiefer stärker aufeinander pressen muss, um die Backenzähne wieder in Kontakt zu bringen. Durch den übermäßigen Druck auf die Schneidezähnen und deren Zahnfächer im Kieferknochen lösen sich die Zahnfächer auf und geben nach. Die Schneidezähne kippen nach vorne. Dies geht häufig mit Zahnfleischentzündung und Zahnfleischrückgang einher. Die zur Alterschätzung mit heran gezogene Winkelung der Schneidezähne ist also keine reine Altersfrage, sondern oft eine pathologische Entwicklung aufgrund nicht ausreichender Abnutzung.
Durch das übermäßig starke Zusammenbeißen der Kiefer kann das Kiefergelenk überlastet werden und die umgebenden Muskeln verspannen sich. Diese Pferde sind dann oft empfindlich im Genickbereich und um die Ohren, die Muskelverspannungen können sich auch über den Hals und den Rücken fortsetzen.
Werden nun bei einer Zahnbehandlung nur die Backenzähne geraspelt und die Schneidezähne nicht mit berücksichtigt, dann werden die Probleme oft sogar noch verstärkt!
zu lange Schneidezähne drei Wochen nach der Behandlung durch einen Tierarzt, bei der der jetzt fehlende Zahn (der gewackelt hatte) gezogen worden war. Leider war versäumt worden, die drei anderen oberen viel zu langen Zähne angemessen zu kürzen
das gleiche Gebiss von der Seite: man kann sich gut vorstellen, dass die verbleibenden zu langen Zähne durch die Hebelwirkung weiter gelockert werden. Es ist zu vermuten, dass es sich nicht um einen genetischen Überbiss handelt, sondern dass der Unterkiefer bei entsprechender Zahnkorrektur (Kürzung hauptsächlich der oberen "überhängenden" Schneidezähne und Entfernung der noch verbliebenen Haken auf den oberen ersten und unteren letzten Backenzähnen (leider nicht fotografisch erfasst) wieder vorrutschen kann in seine ursprüngliche Postition. (Bei einem genetisch fixierten Überbiss müssten selbstverständlich auch die zu langen Schneidezähnen entsprechend gekürzt werden)
1.b. Unkorrekte Winkelung der Schneidezahnkauflächen
Beim korrekt funktionierenden Gebiss haben die Kauflächen der Schneidezähne von der Seite gesehen einen Winkel von etwa 12-15 Grad zum Unterkieferast, d.h. wenn man von der Seite eine Linie an die Kauflächen anlegt, verläuft diese etwa durchs Kiefergelenk. Durch fehlerhafte Abnutzung entwickelt sich aber bei vielen Pferden ein steilerer Winkel (die Linie verläuft deutlich vor dem Kiefergelenk durch den Pferdekopf nach oben), in selteneren Fällen ein flacherer. Bei unkorrekter Kauflächenwinkelung ist die feie Beweglichkeit des Unterkiefers und die effektive Mahlfunktion beeinträchtigt. Deshalb sollte dies korrigiert werden durch entsprechendes Beschleifen/Kürzen der Schneidezähne.
1.c. Unkorrekte Linie der Schneidezähne
Wenn die Schneidezähne zu wenig und ungleichmäßig abgenutzt werden (oft in Zusammenhang mit Backenzahnproblemen), verändert sich oft die Linie der Schneidezahnkauflächen. Es können sich ein so genannter Smile (recht häufig) oder ein Frown (umgedrehter Smile, seltener) bilden. Bei einseitiger Kaubewegung findet man oft eine Diagonale an den Schneidezähnen. Auch leichte Stufen oder Wellen sind möglich. Dies sollte vom Pferdedentalpraktiker so weit wie möglich korrigiert werden, da diese fehlerhafte Schneidezahnlinie selbst wiederum die freie Kieferbewegung beim Kauen behindert.
1.d. Über- oder Unterbiss
Problematisch wird es beim Überbiss (obere Schneidezähne vor den unteren, auch Karpfengebiss genannt) oder Unterbiss (untere Schneidezähne vor den oberen, auch Hechtgebiss genannt), da die Schneidezähne sich bei diesen Fehlstellungen kaum noch gegenseitig abnützen oder sich gar nicht mehr berühren und deshalb sehr häufig (!) entsprechend korrigiert (gekürzt) werden müssen.
Haken an den ersten Backenzähnen oben und den letzten unten können zu einem scheinbaren Überbiss führen: Da der Unterkiefer dauerhaft nach hinten gezogen wird (die Vorwärtsbewegung ist durch die Haken blockiert), passen auch die Schneidezähne nicht richtig übereinander. Werden jetzt die Haken entfernt, kann sich der Unterkiefer wieder nach vorne bewegen und die Schneidezähne passen wieder. Deshalb sollten in diesem Zusammenhang immer die Backenzähne mit kontrolliert werden!
Bei erhobenem Pferdekopf (und die Untersuchung und Behandlung findet aus praktischen Gründen nicht mit Pferdekopf am Boden statt) rutscht der Unterkiefer physiologischerweise etwas zurück. D.h wenn jetzt die Schneidezähne des Unterkiefers etwas zurück stehen (Vorderkante der UK-SZ 1-3mm hinter der Vorderkante der OK-SZ), ist das normal, bei normaler Fressposition (Kopf am Boden) rutscht der Unterkiefer wieder etwas vor.
2. an den Backenzähnen:
2.a. scharfe Kanten
Bei einem seitlich eingeschränkten Kauausschlag (weicheres, kurzfaserigeres Futter als in der Natur) mahlen die Kauflächen nicht mehr über ihre ganze Breite, sondern es bleiben scharfe Kanten stehen, besonders unten innen und oben außen. Dies kann die Zunge bzw. die Backenschleimhaut verletzen, so dass das Pferd wiederum die seitliche Kaubewegung einschränkt, worauf die Kanten immer stärker werden.
Beim Reiten kann sich dies bemerkbar machen, wenn das Pferd unwillig auf eine Zügelhilfe reagiert, da durch die Gebissbewegung die Zunge bewegt wird, die ihrerseits jetzt die scharfen Kanten unten innen berührt. Gebisslose Zäumungen und Reithalfter können die Backenschleimhaut von außen gegen die scharfen Kanten auf der Außenseite der Oberkiefer drücken.
Durch die stehen bleibenden Kanten wird auch rein mechanisch die seitliche Kieferbewegung bei Kontakt (Mahlen) behindert und so das Maul verriegelt.
Besonders extrem tritt dies auf bei kurzfaserigem Futter und ungequetschtem hartem Kraftfutter, da das Pferd dies nicht mahlend kaut wie langes Raufutter (starker seitlicher Kauausschlag), sondern mehr hämmernd mit einem geringeren seitlichen Kauausschlag (eher hoch-runter wie wir), damit die kleinen Körner oder Pellets zwischen den Zähnen gehalten werden. Landläufig ist immer noch die Meinung verbreitet, dass ganzes Getreide, besonders ganzer Mais, scharfen Kanten entgegenwirke – das Gegenteil ist der Fall!
Daher sollte Hafer, das Getreide, das von Pferden am besten verwertet werden kann, am besten (frisch) gequetscht verfüttert werden.
Ein Hinweis auf scharfe Kanten sind die Heu- oder Grasröllchen, die Pferde ungekaut wieder ausspucken. Das Futter wird so in die Backen gepackt statt gekaut, um hier zu polstern!
2.b. Haken, Rampen
Häufig bilden sich am ersten und am letzten Backenzahn der Kauleisten Haken (am Ende des Zahns) oder Rampen (der gesamte Zahn steigt schräg an). Hat sich z.B. vorne oben ein Haken ausgebildet, kann der Unterkiefer nicht ausreichend vor und zurück bewegt werden, er wird dauerhaft etwas zurückgezogen. - entsprechend diagonal dazu wird sich hinten unten auch ein Haken befinden. Dieses kommt (seltener) auch umgekehrt vor (vorne unten und hinten oben). In beiden Fällen ist die freie Beweglichkeit des Unterkiefers gegenüber dem Oberkiefer stark eingeschränkt.
Die Hakenbildung wird durch eine unphysiologische Fresshaltung (Füttern in Tischhöhe) gefördert, da durch die abgeknickte Kopfhaltung die Backenzähne von Ober- und Unterkiefer nicht direkt aufeinander passen.
Beim Reiten in „Dressurhaltung“, also mit abgeknicktem Kopf und nachgeben im Genick muss das Pferd den Unterkiefer frei vor und zurück bewegen können. Pferde mit Haken haben oft Schwierigkeiten, im Genick nachzugeben.
Haken und Rampen sollten abgerundet bzw. auf das normale Niveau gekürzt werden. Das ist besonders wichtig, aber auch besonders schwierig am letzten Backenzahn, da dieser nur mit geeignetem Spezialwerkzeug erreichbar ist!
Präparat eines Pferdeschädels mit ausgeprägten Rampen an den unteren ersten Backenzähnen: der erste Zahn steigt nach vorne hin deutlich an. Der jeweils obere erste Backenzahn ist bereits entsprechend stark durch den unteren Zahn übermässig abgerieben.
2.c. Wellen, Stufen in der Kaufläche
Wellen entstehen häufig schon beim Milchzahnwechsel, indem die Milchkappen nicht paarweise wechseln, wie normal, sondern wenn z.B. eine Kappe später wechselt als die anderen und der „frühere“ bleibende Zahn schon weiter heraus schieben kann, bis er den Gegenzahn erreicht. Deshalb ist eine regelmäßige, halbjährliche Kontrolle und gegebenenfalls Korrektur der Zähne während des Zahnwechsels (2,5 bis 5 Jahre) so wichtig, um sofort eingreifen zu können, bevor ein richtiges Wellengebiss entsteht. Wellen in der Kaufläche korrigieren sich nicht von selbst, sondern werden über die Zeit immer stärker, bis sie irgendwann nicht mehr vollständig (oder kaum noch) zu beheben sind!
Da Wellen oder Stufen von aussen bzw. durch den Pferdebesitzer sehr schlecht zu erkennen sind und die Pferde nicht sofort gravierende, sondern schleichende Probleme zeigen oder sogar lange unauffällig bleiben, besteht die Gefahr, dass diese Situation viel zu spät bemerkt wird - wenn das Pferd nicht mehr frisst, ist der Zahnbefund oft schon katastrophal. Deshalb sollte man auch bei nicht auffälligen Problemen die Zähne regelmässig kontrollieren lassen.
Die extremere Version des Wellengebisses ist das Stufengebiss. Hier findet man deutliche Höhenunterschiede von Zahn zu Zahn. Es kann aus einem immer schlimmer werdenden Wellengebiss entstehen, aber auch oder zusätzlich durch fehlende Zähne, indem ein Zahn ohne Gegenzahn viel zu lang wird. Bei älteren Pferden, deren Zähne nie kontrolliert wurden, findet man leider immer wieder extrem schlimme Stufengebisse, die meistens nicht mehr korrigierbar sind. Im besten Fall kann man noch Schadensbegrenzung betreiben. Auch solche Fälle sind mit einer regelmäßigen Kontrolle und Korrektur vermeidbar!
Präparat eines katastrophalen Gebisses: hier funktioniert so gut wie gar nichts mehr und auch durch die beste Bearbeitung ist nicht mehr viel zu retten. Aber dies wäre vermeidbar gewesen bei regelmässiger Korrektur von Anfang an!
2.d. einzelne hohe Zähne, Meißelzähne
Fehlt ein Zahn, oder ist ein Kiefer kürzer als der Gegenkiefer, so fehlt dem gegenüberliegenden Zahn der Abrieb. Dieser Zahn wird dann unkorrigiert so lang, dass er bald die Beweglichkeit der Kiefer blockiert und sich sogar in das Zahnfleisch und in den Kieferknochen der gegenüberliegenden Seite bohren kann.
Aber auch ohne fehlenden Gegenzahn können sich Meisselzähne entwickeln. Ist z.B. bereits im Zahnwechsel oder Durchbruch ein Zahn schon weiter herausgeschoben als sein Partner, so reibt er ihn (ohne Korrektur) möglicherweise immer weiter ab.
Präparat eines Meisselzahns: es ist gut zu erkennen, wie der unkorrigierte Meisselzahn seinen Gegenzahn regelrecht ausgehöhlt hat und sogar schon der Kieferknochen abgebaut ist.
2.e. zu flache oder zu steile Winkelung (Scherengebiss) der Backenzahnkaufläche
Wenn das Pferd überwiegend oder nur auf einer Seite kaut, nutzen sich hier die Backenzähne verstärkt ab und der Kauausschlag findet nur (oder in erster Linie) einseitig statt. Auf dieser stärker beanspruchten Seite wird der Kauflächenwinkel oft flacher als normal (normal ist 12-15°). Die weniger oder gar nicht benutzte Seite entwickelt das Scherengebiss, d.h. die Kaufläche wird durch die hier eingeschränkt oder kaum noch stattfindende seitliche Kieferbewegung immer steiler. Das wiederum behindert eine seitliche Kaubewegung noch mehr, es entsteht ein Teufelskreis. Eine Korrektur ist je nach Fall schwierig und sollte nach Absprache zwischen Besitzer und Pferdedentalpraktiker evtl. in kurzen Zeitabständen nach und nach erfolgen.
Präparat, Blick auf die Schneidezähne: trotz der leicht schrägen Perspektive ist deutlich zu sehen, dass die Schneidezähnen ungleich lang sind und eine Diagonale bilden. Ausserdem befindet sich der Unterkiefer in Ruheposition nicht mittig unter dem Oberkiefer, sondern nach rechts (im Bild nach links) versetzt. Die Fraktur ist möglichweise erst beim Präparieren entstanden.
dasselbe Präparat: beim Blick auf die Backenzähne offenbart sich der Grund für die Schneidezahnfehlstellung - ein hochgradiges Scherengebiss auf der linken Seite (im Bild rechts), das Pferd konnte nur rechts kauen (wenn überhaupt). Die Ursache für das Scherengebiss wiederum ist in diesem Fall nicht mehr rekonstruierbar. Ein solch hochgradiges Scherengebiss ist kaum noch zu korrigieren, wäre aber bei rechtzeitiger Kontrolle vermeidbar gewesen!
3.Probleme im Zahnwechsel
Das Fohlen hat zuerst 24 Milchzähne, die im Alter von 2,5 bis 5 Jahren gewechselt werden. Die vier mittleren Schneidezähne (Zangen, zwei oben, zwei unten) wechseln mit ca. 2,5 Jahren. Die dann folgenden vier Schneidezähne (Mittelzähne) wechseln mit 3,5, Jahren, die äußeren Schneidezähne (Eckzähne) mit 4,5 Jahren.
Die drei Milchbackenzähne (pro Quadrant) wechseln von vorne nach hinten mit ca. 2,5, 3 und 3,5 Jahren.
3.a. festsitzende (persistierende) Milchzähne
Manchmal bleibt ein Milchzahnrest, die so genannte Kappe, zwischen den Nachbarzähnen oder seitlich hängen und behindert den nachfolgenden bleibenden Zahn. Der nachfolgende Zahn hat zuwenig Platz, übt mit seiner Wurzel (dem anderen Ende sozusagen) Druck auf den Kieferknochen aus und es bilden sich Knochenauftreibungen (Beulen, „Bumps“, „Knäste“) am Unter-, seltener auch am Oberkiefer. Durch Entfernen der Kappe lässt der Druck nach, der bleibende Zahn kann normal weiter nachschieben und die Beulen bilden sich zurück.
Bei den Schneidezähnen kommt es immer wieder vor, dass festsitzende Milchschneidezähne dem bleibenden Zahn im Weg sitzen und bleiben (wenn sie nicht entfernt werden) und sich daher Fehlstellungen der Schneidezähne entwickeln (genau wie bei Kindern im Zahnwechsel bekannt!)
3.b. Milchzahnsplitter oder -reste
Manchmal wechseln Milchzähne unvollständig und es bleiben Splitter des Milchzahns im Zahnfleisch oder auf dem nachschiebenden Zahn. Diese sollten entfernt werden, um dem Pferd evtl. lang andauernde Unannehmlichkeiten zu ersparen.
3.c. Unregelmäßigkeiten im Zahnwechsel
Normalerweise wechseln die Milchzähne paarweise (rechts-links) und die gegenüber liegenden Paare (oben-unten) relativ kurz hintereinander. Passiert dies nicht, so wird der schon gewechselte Zahn weniger abgenutzt und schiebt zu weit in die Lücke des gegenüber liegenden Zahns, der noch nicht so weit ist. Dies stört schon die freie Mahlbewegung und ist der Grundstock für ein Wellen- oder Stufengebiss, das dem Pferd früher oder später Beschwerden machen wird. Dies ist durch die regelmäßige Kontrolle und Erhaltung des korrekten Gebisses von klein auf vermeidbar!
Präparat eines Pferdeschädels, ca. zweieinhalb Jahre alt: links unten (im Bildvordergrund) ist die Kappe bereits ausgefallen, rechts unten und oben befinden sich noch überfällige Kappen. Wird dies nicht korrigiert (Entferung der überfälligen Kappen, evtl. Kürzung des bereits längeren linken unteren Backenzahns), wird der linke untere Backenzahn seinen Gegenzahn übermässig abnutzen, bzw. der Gegenzahn hat gar nicht die Chance, genauso lang herauszuschieben bis zum Kontakt
4. Wolfszähne
Direkt vor den Backenzähnen können sich so genannte Wolfszähne befinden. Diese rudimentären Backenzähne, die heute keine Funktion mehr haben, sind meistens deutlich kleiner als menschliche Zähne, haben keine richtige Wurzel und sind daher nicht richtig stabil im Kiefer befestigt. Sie treten häufiger oben als unten auf und können auch einseitig vorhanden sein.
4.a. in Gebisslage
Normal ausgeprägte Wolfszähne erhalten Druck durch das Trensengebiss bei Zügeleinwirkung und stören deshalb fast immer. Sie sind im Normalfall während einer Routinebehandlung problemlos zu entfernen, bei jüngeren Pferden noch besser als bei erwachsenen. Daher sollte man bei der Diagnose Wolfszahn diesen möglichst frühzeitig ziehen lassen, um schon dem jungen Pferd die Unannehmlichkeiten beim Reiten von vornherein zu ersparen.
4.b. blinde Wolfszähne
So genannte blinde Wolfszähne sind nicht durch das Zahnfleisch durchgebrochen, sondern sind als harte „Knubbel“ auf der Lade ca. 1-2 cm vor den ersten Backenzähnen zu fühlen. Beim Druck durch ein Gebiss hierauf reagieren die meisten Pferde sehr empfindlich! Da blinde Wolfszähne häufig übersehen werden, liegt hier oft eine unerkannte Ursache für Rittigkeitsprobleme. Daher sollten auch blinde Wolfszähne entfernt werden.
5. Hengstzähne
Hengstzähne kommen ganz normal bei Hengsten und Wallachen (selten auch Stuten) vor und dürfen nicht mit den Wolfszähnen verwechselt werden. Die Hengstzähne liegen näher an den Schneidezähnen und stören fast nie am Gebiss. Hengstzähne haben sehr lange und gebogene Wurzeln und sind daher sehr fest im Kiefer verankert (für die Beanspruchung als Kampfzahn wichtig). Daher ist es sehr aufwendig, sie zu ziehen, abgesehen davon ist dies sehr selten nötig.
Präparat, bei dem die Wurzeln der Hengstzähne freigelegt wurden. Man kann gut erkennen, wie flach bzw. gebogen die Wurzeln im Kiefer liegen, was ihre Stabilität erhöht, eine Extraktion aber deutlich erschwert
5.a. Durchbrechende Hengstzähne
Wie wir es auch von unseren Kindern beim Zahnen kennen, kann der Durchbruch der Hengstzähne durch das Zahnfleisch unangenehm sein. Obwohl das Gebiss beim Reiten nicht in Kontakt mit den Hengstzähnen kommt, kann das Pferd maulig sein. Durch Perforieren des Zahnfleisches über dem Hengstzahn kann das Durchbrechen beschleunigt werden.
5.b. Scharfe, zu lange Hengstzähne
Seitlich haben die Hengstzähne oft scharfe Kanten (effektiv als Kampfzahn), mit denen sich die Pferde allerdings auch selber an der Zunge verletzen können, besonders wenn beim Reiten durch das Gebiss die Zunge mehr gegen die Hengstzähne gedrückt wird. Manchmal werden die Hengstzähne auch so lang oder stehen sich direkt gegenüber (normalerweise sind sie sich nicht direkt gegenüber, haben keine Kaufläche und schieben nicht ständig nach), dass sie die freie Beweglichkeit der Kiefer stören und/oder sich in den gegenüberliegenden Kiefer bohren. Sie können problemlos durch Schleifen gekürzt und abgerundet werden, wobei die Kürzung nicht zu stark sein darf, um die Pulpahöhle nicht zu eröffnen.
5.c. abgebrochene Hengstzähne
Durch einen traumatischen Einfluss (Tritt, Hängen bleiben z.B. an einem Kettenglied!) können die Hengstzähne abbrechen. Ist die Pulpahöhle nicht betroffen, kann ganz einfach der Zahnrest berundet werden, damit die scharfen Bruchkanten nicht stören. Wird die Pulpahöhle eröffnet, kann es wiederum zur Vereiterung des Zahns kommen, der dann evtl. komplett entfernt werden muss.
5.c. Blinde Hengstzähne (unter der Schleimhaut)
Besonders bei Stuten, die meistens gar keine und manchmal kleine Hengstzähne haben, kommt es vor, dass diese kleinen Hengstzähne gar nicht durchs Zahnfleisch durchbrechen, sondern unterm Zahnfleisch als kleine, harte Erhebung zu fühlen sind. Dies sollte nicht mit blinden Wolfszähnen verwechselt werden! Letztere liegen näher an den Backenzähnen und können daher sehr beim Reiten mit Gebiss stören, blinde Hengstzähne liegen weiter vorne Richtung Schneidezähne und stören meistens nicht.
6. Gebiss allgemein
6.a.Zahnstein
Besonders an den Hengstzähnen bildet sich oft Zahnstein. Dieser sollte regelmäßig entfernt werden, da hierdurch das benachbarte Zahnfleisch gereizt wird und es zu Periodontitis kommen kann.
6.b.Zahnfleischentzündung, Periodontitis (Entzündung im Bereich des Zahnhalteapparates)
Durch Zahnstein, aber auch durch eingespießte Futterreste, wird das Zahnfleisch gereizt und entzündet sich. Auch durch unphysiologischen (zu viel) Druck kann der Zahnhalteapparat geschädigt werden. Der betroffene Zahn beginnt irgendwann, sich zu lockern, was durchaus schmerzhaft sein kann. Hier sollten nach Möglichkeit in erster Linie die Ursachen beseitigt werden: Zahnstein entfernen, Gebissfunktionen wieder herstellen (Gebiss ausbalancieren, so dass der Kaudruck gleichmäßig verteilt wird), evtl. den betroffenen Zahn aus dem Druck nehmen. Dieser erholt sich dann oft wieder und kann auch wieder fester werden. Ist die Zerstörung des Zahnhalteapparates jedoch zu weit fortgeschritten, hilft nur eine Extraktion.
6.c. Karies
Auch beim Pferd gibt es Zahnfäule (Karies), wenn auch in weit geringerem Masse als bei uns Menschen. Karies findet man in erster Linie bei älteren Pferden meistens in den Infundibula der hinteren oberen Backenzähne. Dadurch (schlecht zu sehen) wird es oft erst spät bemerkt und kann zu Zahnfrakturen führen. Ist die Pulpahöhle betroffen bei einer solchen Fraktur (meistens ist dies der Fall), ist eine Pulpitis (Entzündung der Pulpa) kaum zu vermeiden und der Zahn bzw. die Einzelteile müssen entfernt werden.
6.d. überzählige Zähne (Supernumeri, Sg. Supernumerus) oder zu wenig Zähne angelegt
Hin und wieder kommen überzählige Zähne vor, z.B. ein siebter Backenzahn ganz hinten im Maul oder ein zusätzlicher Schneidezahn neben den eigentlichen Schneidezähnen. Diese überzähligen Zähne an sich müssen nicht problematisch sein, allerdings fehlt ihnen meistens der Gegenbiss, so dass sie sich nicht naturgemäß abnutzen können. Daher ist hier besonders auf eine regelmäßige Kürzung (je nach Fall empfiehlt sich meistens halbjährlich) zu achten, weil sie sonst relativ schnell über das Niveau der Nachbarzähne hinausragen und so die freie Kaubewegung behindern würden. Im Extremfall (jahrelang unbemerkt und/oder unkorrigiert) werden sie so lang, dass sie sich in den gegenüberliegenden Kiefer bohren und dort zu erheblichen Schmerzen und Entzündungen führen.
Präparat mit überzähligen Schneidezähnen, die dazu noch viel zu lang sind
dasselbe Präparat aus etwas anderer Perspektive, es scheint sich insgesamt um acht Schneidezähne im Oberkiefer zu handeln, die teilweise übereinander liegen
dasselbe Präparat von der Seite gesehen
Ähnlich sieht es bei fehlenden Zahnanlagen aus. Hier fehlt den Gegenzähnen ein Partner, und insgesamt ist die effektive Kaufläche kleiner als normal.
Präparat eines Oberkiefers mit fehlenden Zahnanlagen der Zangen, der Unterkiefer war normal ausgebildet (kein Foto vorhanden). In so einem Fall müssen die Unterkieferzangen regelmässig gekürzt werden, da sie keine Abnutzung haben. Evtl. ist das Grasabbeissen etwas schwierigier für das betroffene Pferd, aber meistens wird dies durch entsprechende Abbeiss-Technik kompensiert.
6.e. Verlorene oder abgebrochene Zähne
Geht ein Zahn verloren oder bricht er durch ein traumatisches Ereignis (z.B. einen Tritt an den Kiefer, bes. im Schneidezahnbereich) ab, fehlt auch hier dem gegenüberliegenden Zahn der Gegenbiss und er muss regelmäßig gekürzt werden. Auch werden u. U. die Nachbarzähne der Lücke instabil, d.h. sie kippen in die Lücke (wenn der verloren gegangene Zahn komplett fehlt). Ist ein Zahn nur abgebrochen, besteht die Gefahr der Vereiterung, wenn durch die Fraktur die Pulpahöhle eröffnet wurde. Ist die Pulpahöhle nicht betroffen, kann der Zahn durchaus weiter nachschieben, bis er schließlich wieder das Niveau der Nachbarzähne erreicht und die Zahnreihe wieder eine geschlossene Kaufläche bilden (vorausgesetzt, es war noch genug Reservekrone vorhanden).
In beiden Fällen sollte diese Region genau beobachtet und kontrolliert, gegebenenfalls häufiger korrigiert werden (mind. zweimal im Jahr).
6.f. Gespaltene Zähne (Längsfrakturen)
Bricht ein Zahn in seiner Längsrichtung, kommt es meistens zur Pulpaeröffnung und Entzündung. Weiterhin wird sich hier Futter sammeln und für Zahnfäule und Periodontitis sorgen. Schon kariöse Zähne (besonders Backenzähne) sind anfälliger für Frakturen. Meistens ist eine Extraktion notwendig.
Präparat einer Spaltung des vierten Backenzahns im linken Unterkiefer (309). Der Zahn ist in seiner kompletten Länge gespalten. Aussen hat sich bereits entsprechend der Unterkieferknochen etwas umgeformt (im Bild nicht gut zu sehen). Das restliche Gebiss ist unauffällig. Diese Fraktur ist sicher hochgradig unangenehm für das Pferd gewesen! Hier wäre eine Extraktion beider Zahnhälften angezeigt gewesen
6.g. Lose oder faule Zähne
Ist die Reservekrone weitgehend verbraucht, hält irgendwann die Zahnwurzel nicht mehr und der Zahn wird aufgrund seines Alters lose und fällt aus. Dies ist ein normaler Vorgang und meistens unproblematisch (oft unbemerkt). Es kommt aber auch vor, dass der Zahn dem Pferd Beschwerden bereitet, weil er nicht mehr richtig stabil hält, aber auch noch nicht heraus fällt. Dann muss im Einzelfall entschieden werden, ob es hilft, den Zahn etwas mehr zu kürzen, um den Druck zu verringern, oder ob er besser gezogen werden sollte (geht bei kurzer Reservekrone meist relativ unproblematisch am stehenden, sedierten Pferd über die Maulhöhle).
Im Zusammenhang mit Vereiterungen im Zahnwurzelbereich, Fäulnis im Zahn, Zahnfleischtaschen, eröffneter Pulpahöhle etc. findet man allerdings oft auch schon jüngere Problemzähne. Hier muss je nach Einzelfall oft der Zahn gezogen werden, was aber bei einer noch längeren im Kiefer befindlichen Reservekrone deutlich problematischer sein kann.
6.h. Vereiterungen der Zahnwurzel, der Kiefernhöhle usw.
Zahnwurzelvereiterungen entstehen häufig durch infizierte Pulpahöhlen und/ oder in Zusammenhang mit Karies (oft an den oberen Backenzähnen in den Schmelzeinstülpungen), oder Periodontal-Erkrankungen. Da sich die Zahnfächer in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Kiefer- und Nasenhöhlen befinden, kann der Eiter auch hier einbrechen (einseitiger Nasenausfluss). Oft bilden sich auch Fistelgänge durch den Kiefer nach draußen oder in die Maulhöhle. Meistens müssen der betroffene Zahn entfernt und die Kieferhöhlen entsprechend medikamentös behandelt und gespült werden. Vereiterungen und Zahnwurzelentzündungen sind höchst schmerzhaft, wie jeder aus Erfahrung weiß! Daher sollten bei extremen Schmerzreaktionen des Pferdes besonders im Kopfbereich oder beim Reiten auch die Zähne mit untersucht werden.
6.i. Fremdkörper, Dornen, Holzsplitter
Manchmal spießen sich Pferde auch Holzstücke zwischen die Zähne oder verletzen sich mit Dornen etc. Ändert ein Pferd plötzlich sein Fressverhalten oder reagiert sehr empfindlich, sollte man auch an Fremdkörper im Maul denken und diese gegebenenfalls entfernen.
7. Seniles Gebiss (expired teeth)
Mit zunehmender Abnutzung sind die Zähne irgendwann „verbraucht“. Die Kaufläche wird immer glatter, da der Teil des Zahnes, der Schmelz enthält, abgenutzt wird. Irgendwann kaut das Pferd nur noch auf der Zahnwurzel, dadurch besteht die effektive Kaufläche nur noch aus Dentin, dessen abgeschliffene Oberfläche sehr glatt wird. Die Schmelzgrate fehlen, deshalb funktioniert der Zahn nicht mehr so gut als „Mühlstein“ und mahlt nicht mehr so effektiv. Dentin ist relativ weich, d.h. dieser Zahnrest wird jetzt besonders schnell verbraucht. Auch hat der Zahn irgendwann keinen guten Halt mehr im Zahnfach, da die Wurzel immer kürzer wird - das Nachschieben geht weiter, bis nichts mehr da ist, bzw. der Rest heraus fällt.
Lockere Zähne, die Probleme machen, sollten entfernt werden, was meistens aufgrund der kurzen Wurzel recht einfach möglich ist.
Da der Zahn nach unten zur Wurzel hin etwas schmaler wird, entstehen oft kleine Lücken zwischen den Backenzähnen, wenn die Zähne schon entsprechend weit heraus geschoben sind. Hier können sich Futterreste festsetzen und evtl. zu Periodontitis führen.
Bei Vereiterungen, Entzündungen etc. sollte der Zahn auch entfernt werden (s. oben Periodontitis/Vereiterungen).
Präparat der Oberkieferbackenzähne eines alten Pferdes (über 20 Jahre): von rechts nach links gesehen (Schneidezähne sind rechts nicht mehr im Bild) ist der erste Zahn viel zu lang und hat eine deutliche Stufe zum zweiten Zahn, die Wurzelansätze sind hier bereits sichtbar (wären evtl. am lebenden Pfed noch mit Zahnfleisch bedeckt oder auch schon leicht fühlbar), d.h. der erste Zahn hat nicht mehr viel Halt. Der zweite Zahn zeigt Anzeichen von Karies (schwarze Verfärbung in den Infundibula), zwischen allen Zähnen (bes. zwischen 2.-3.-4.-5.) sind deutliche Lücken zu sehen (wahrscheinlich am lebenden Pferd Periodontitis und Futtereinspiessungen) und der vierte Zahn hat auf seiner Kaufläche kaum noch Schmelz ("expired"). Diese Kauleiste bildet keine geschlossene, funktionelle Fläche mehr, sondern hat Stufen, Wellen und Lücken, was ihre Funktion erheblich einschränkt. Evtl. sind auch Zähne locker, die gezogen werden müssten (am Präparat nicht mehr nachvollziehbar). Dieser Zustand in diesem Alter ist nur noch begrenzt verbesserbar durch eine Zahnbearbeitung, hier wäre je nach Futter- und Allgemeinzustand des Pferdes zumindest die Zufütterung von eingeweichten Heucobs angesagt.
Das senile Gebiss an sich ist nicht krankhaft, sondern eine Begleiterscheinung des Alters. Jedoch kann es natürlich angebracht sein, wenn ein Pferd effektiv Kauschwierigkeiten aufgrund der glatten Kauflächen oder schon fehlender Zähne hat (das muss nicht immer der Fall sein, viele Pferde können einige solcher „Defekte“ gut kompensieren), die Fütterung anzupassen und frisch eingeweichte Heucobs zuzufüttern (nicht einfach die Kraftfuttermenge erhöhen oder Rübenschnitzel in großen Mengen füttern! Heu/Gras ist das Grundfutter für Pferde und wird als Heucobs in vorgemahlener Form serviert).
Wie oft sollten die Zähne beim Pferd kontrolliert und gegebenenfalls behandelt werden?
Fohlenalter bis 2,5 Jahre: 1 mal im Jahr
Auch Fohlen haben oft schon scharfe Kanten an den Backenzähnen und diese können ihnen große Beschwerden bereiten, auch wenn es sich „nur“ um die Milchzähne handelt!
Frühzeitig erkannte Fehlstellungen können (unter Umständen) besser korrigiert werden.
Zahnwechsel von 2,5 bis 5 Jahren: 2 mal im Jahr
In diesem Zeitraum wechseln 24 Zähne! Daher sollte halbjährlich kontrolliert werden, ob sich alle Milchkappen selbstständig und komplett lösen. Eingeklemmte überfällige Milchzähne oder Kappenreste sollten entfernt werden. Scharfe Kanten und evtl. beginnende Hakenbildung sollten ebenfalls korrigiert werden.
Erwachsenes Pferd älter als 5 Jahre und ohne schwerwiegendere Zahnprobleme: 1 mal im Jahr
So kann die Gebissfunktion erhalten und kleinere Abweichungen können sofort korrigiert werden.
Bei Zuchtstuten sollte die Zahnbehandlung schon vor dem Decken eingeplant werden, um eine optimale Ernährung während der Trächtigkeit zu gewährleisten.
Bei Turnierpferden empfiehlt sich die Zahnbehandlung möglichst vor der Turniersaison, um evtl. durch Zahnprobleme hervorgerufene Rittigkeitsprobleme zu minimieren (bessere Leistung) und da die Sedierungsmittel 1-2 Wochen im Blut nachweisbar sind und als Doping gewertet werden können.
Problemfälle: 2 mal im Jahr (evtl. noch öfter)
Bei Pferden mit krassen Fehlstellungen, bei alten Pferden mit lockeren Zähnen oder bei Pferden, denen bereits Zähne fehlen, sollte nach Absprache mit Ihrem Zahnbehandler mind. 2 mal im Jahr kontrolliert werden.